Die Verordnung Brüssel Ia regelt im III. Abschnitt, d. h. von Art. 36 bis Art. 57 die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, öffentlicher Urkunden und gerichtlicher Vergleiche in Zivil- und Handelssachen, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen. Eine Entscheidung, die in einem EU-Mitgliedstaat ergangen ist, wird in einem anderen Mitgliedstaat - auch in Bulgarien - anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens oder einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Das Verfahren zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: es unterliegt möglichst wenig Formalitäten, eine ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden, eine Entscheidung muss nicht endgültig sein, sondern vollstreckbar; Sicherungsmaßnahmen (einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen) sind zulässig; die Gründe für die Versagung der Anerkennung sind aufs geringste reduziert und in der Verordnung ausführlich aufgeführt. Eine Übersetzung der Unterlagen ist nur dann vorzulegen, wenn die Bestimmungen der Verordnung dies ausdrücklich erfordern. Die Übersetzung ist von einer Person zu erstellen, die zur Anfertigung von Übersetzungen in einem der Mitgliedstaaten befugt ist. Eine Legalisierung oder ähnliche Formalitäten entfallen für die in einem Mitgliedstaat ausgestellten Unterlagen.
I. Zuständigkeit
Die Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, sind vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. D. h. die Staatsangehörigkeit spielt für die Einleitung dieser Verfahren keine Rolle, von Bedeutung ist allein der Wohnsitz des Schuldners. Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur ausnahmsweise gemäß den Vorschriften der Verordnung verklagt werden.
Dazu gilt, wenn die Parteien unabhängig von ihrem Wohnsitz vereinbart haben, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.
II. Anerkennung
Die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen sind, wird in Art. 36 Abs. 1 der Verordnung näher erörtert, und zwar: Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.
Beim Berufen auf diese Entscheidung hat die Partei eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt und eine nach Art. 53 der Verordnung ausgestellte Bescheinigung vorzulegen. Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht gegebenenfalls die Partei auffordern kann, ist jedoch nicht dazu verpflichtet, eine schriftliche Übersetzung in der im entsprechenden Land offiziellen Sprache, angefertigt von einer Person, die zur Übersetzung in diesem Land befugt ist, vorzulegen.
Das Verfahren kann vom Gericht oder der Behörde, bei dem bzw. der eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung geltend gemacht wird, ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn:
- die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat angefochten wird;
- die Feststellung, dass keiner der in Artikel 45 genannten Gründe für eine Versagung der Anerkennung gegeben ist, oder die Feststellung, dass die Anerkennung aus einem dieser Gründe zu versagen ist, beantragt worden ist.
Die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung kann nur aufgrund folgender Gründe versagt werden, indem hier darauf hinzuweisen wäre, dass dieselben Gründe sowohl für die Anerkennung als auch für die Zwangsvollstreckung der Entscheidung zutreffen, und zwar wenn:
- die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des ersuchten Mitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde;
- dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte;
- die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien im ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist;
- die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat erfüllt, oder
- die Entscheidung unvereinbar ist mit den Regeln über die besondere Zuständigkeit für Versicherungssachen, bei Verbrauchersachen und für individuelle Arbeitsverträge, wenn der Versicherungsnehmer, der Versicherte, ein Begünstigter des Versicherungsvertrags, ein Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer Beklagte sind und auch wenn die Anerkennung den Bestimmungen über die in Artikel 24 der Verordnung ausschließliche Zuständigkeit widerspricht.
Die Mitgliedstaaten sind zur Einführung zusätzlicher Gründe für die Versagung der Anerkennung, die von denjenigen der Verordnung abweichen, nicht berechtigt.
III. Vollstreckung
Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, ist in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die im ersuchten Mitgliedstaat vollstreckbar ist, wird dort unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im ersuchten Mitgliedstaat ergangene Entscheidung. Zu diesem Zweck ist an die zuständige Vollstreckungsbehörde, z. B. an einen privaten Gerichtsvollzieher ein Antrag zu stellen und dadurch kann das Verfahren vor den bulgarischen Gerichtshöfen zur Erteilung eines Vollstreckungstitels vermieden werden. Dem Antrag ist eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt und eine nach Art. 53 ausgestellte Bescheinigung, mit der bestätigt wird, dass die Entscheidung vollstreckbar ist und die einen Auszug aus der Entscheidung sowie gegebenenfalls relevante Angaben zu den erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens und der Berechnung der Zinsen enthält, beizufügen. Eine wichtige Regelung in diesem Fall ist, dass die Vollstreckungsbehörde den Antragsteller auffordern kann, eine Übersetzung der Entscheidung vorzulegen, wenn ohne die Übersetzung die eigentliche Entscheidung nicht fortgesetzt werden kann.
Bei der Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung, wird die ausgestellte Bescheinigung dem Schuldner vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme zugestellt. Der Bescheinigung wird die Entscheidung beigefügt, sofern sie dem Schuldner noch nicht zugestellt wurde.
IV. Einstweilige Maßnahmen, einschließlich Sicherungsmaßnahmen
In dieser Hinsicht ist auch die Tatsache von Bedeutung, dass solche einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen bei den Gerichten dieses Mitgliedstaats auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist, beantragt werden können. Die Art und das Verfahren der Durchsetzung dieser Maßnahmen werden nach dem in dem Mitgliedstaat, in das sie beantragt wurden, geltenden Recht bestimmt.
V. Vollstreckungsschutz
Die Person, gegen die eine Vollstreckung beantragt wurde, kann sich verteidigen, indem sie einen Antrag auf Versagung der Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der o.g. Gründe stellt. In diesem Fall verfügt der ersuchte Mitgliedstaat über drei Möglichkeiten:
- das Vollstreckungsverfahren auf Sicherungsmaßnahmen zu beschränken;
- die Vollstreckung von der Leistung einer vom Gericht zu bestimmenden Sicherheit abhängig zu machen und
- das Vollstreckungsverfahren insgesamt oder teilweise auszusetzen.
Die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats setzt das Vollstreckungsverfahren auf Antrag des Schuldners aus, wenn die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ausgesetzt ist.
Der Antragsteller legt dem Gericht eine Ausfertigung der Entscheidung und gegebenenfalls eine Übersetzung oder Transliteration der Entscheidung vor.
Das Gericht kann auf die Vorlage der Schriftstücke verzichten, wenn ihm die Schriftstücke bereits vorliegen oder wenn es für unzumutbar hält, vom Antragsteller die Vorlage der Schriftstücke zu verlangen. Im letztgenannten Fall kann das Gericht von der anderen Partei verlangen, diese Schriftstücke vorzulegen.
Das Gericht entscheidet unverzüglich über den Antrag auf Versagung der Vollstreckung, indem die Verordnung eine Möglichkeit auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs einräumt.
VI. Bestimmungen der bulgarischen Zivilprozessordnung
Die unmittelbare Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 ist in Bulgarien unter Art. 621 der bulgarischen Zivilprozessordnung geregelt, und zwar: Eine gerichtliche Entscheidung oder eine andere Urkunde ist von der Behörde, vor der sie vorgebracht wird, aufgrund einer vom erlassenden Gericht beglaubigten Ausfertigung und der gegebenenfalls aufgrund einer Verordnung der Europäischen Union erforderlichen beigefügten Bescheinigung anzuerkennen. Die vom Art. 21.1 der Verordnung (EU) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 umfassten Entscheidungen werden von den für die Anmeldung zuständigen Behörden anerkannt.
Dem Betroffenen wird eine weitere Möglichkeit zur Beantragung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung vom für den ständigen Wohnsitz der Gegenpartei oder ihres Sitzes zuständigen Landgericht eingeräumt und sofern sie keinen ständigen Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien hat – von dem für den eigenen ständigen Wohnsitz oder Sitz zuständigen Gericht.
In Bezug auf das bulgarische Zivilverfahren sind hinsichtlich der Vollstreckung die Bestimmungen von Art. 622a Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen: Eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ergangene Entscheidung unterliegt einer Vollstreckung ohne Bedarf an Erteilung eines Vollstreckungstitels.
Der Gerichtsvollzieher stellt bei der Vollstreckung eine Ausfertigung der gem. Art. 53 der Verordnung ausgestellten Bescheinigung zu, indem er damit den Schuldner zur freiwilligen Leistung mahnt. Der Bescheinigung ist eine Ausfertigung der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ergangenen Entscheidung, sofern sie dem Schuldner noch nicht zugestellt wurde, beizufügen. Der Schuldner darf innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Zustellung einen Antrag auf Versagen der Vollstreckung einreichen. Sofern die Entscheidung einer Übersetzung bedarf, wird die Frist bis zu ihrer Übergabe an den Schuldner ausgesetzt. Der Antrag ist beim Landgericht, bei dem der Schuldner seinen ständigen Wohnsitz hat, sofern er eine natürliche Person ist oder beim Vollstreckungsgericht, sofern er eine juristische Person ist, einzureichen. Die Anordnung des Gerichts, die aufgrund des Antrags ergeht, kann vor dem Berufungsgericht zu Sofia durch Berufungsklage und die Entscheidung des Berufungsgerichts zu Sofia kann durch eine Kassationsbeschwerde vor dem Obersten Kassationsgerichtshof angefochten werden.