Mit dem Versterben einer Person in Bulgarien und vorausgesetzt, dass bulgarisches Erbrecht anzuwenden ist, entsteht zunächst die Frage über das Beerben der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Erblassers, die den s. g. Nachlass (Erbmasse) bilden. In diesem Artikel werden die einzelnen vererbbaren Vermögenswerte sowie die erforderlichen Schritte dazu näher erörtert.
I. Allgemeines
Nach geltendem Recht wird das gesamte Vermögen des Verstorbenen geerbt. Das schließt sowohl die Mobilien, Immobilien und Rechte darauf als auch andere Vermögensrechte, Forderungen und Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht. Es ist allgemein üblich, dass die Vermögensrechte und –pflichten vererblich und die persönlichkeitsbezogene Rechte und Pflichten nicht vererblich sind. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen dieser Regel – z. B. in Bezug auf Urheberrechte die persönlichkeitsbezogen, jedoch vererblich sind.
II. Bankkonten
Eine häufige Situation betrifft das Erben von Kontoguthaben. Dazu ist jedoch wichtig zu wissen, dass das Konto selbst nicht zum Nachlass gehört, da es auf den Namen des Erblassers eröffnet wurde. Der Erbe hat sein Erbrecht der Bank gegenüber nachzuweisen und darf anschließen das Guthaben auf ein eigenes Konto überweisen lassen. Nach der Überweisung empfiehlt es sich wiederum, das Konto des Verstorbenen zu schließen. Sollte das Konto des Erblassers belassen werden, können zusätzliche Verwaltungsgebühren seitens der Banken anfallen, was zu Lasten der Verbindlichkeiten des Nachlasses führen würde. Hier ist zu beachten, dass in diesen Fällen die Bank dem Erben einem seinem Erbteil zustehenden Betrag und nicht etwa das gesamte Kontoguthaben auszahlt.
III. Immobilien
Diese Vermögenswerte sind ebenfalls vererblich. Um als Eigentümer dieser Vermögenswerte zu gelten bedarf es in Bulgarien keiner Eintragung in den Registern. Ihre Rechte ergeben sich aus den rechtlichen Umständen und den Nachweisen dazu, d. h. i. R. aus der Sterbeurkunde, dem Erbschein und Eigentumsnachweis der Immobilie. In manchen Fällen könnten zusätzliche Unterlagen erforderlich werden. Z. B. wenn der Erbe kein bulgarischer Staatsangehöriger ist, hat er sich in das BULSTAT-Register eintragen zu lassen. Grund dafür ist der Erwerb einer Immobilie auf dem Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien, das die gesetzliche Eintragungspflicht in diesem Register innerhalb einer Frist von 7 Tagen nach Eintritt der dies begründenden Umstände begründet.
Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass der Erbe in Bezug auf einen solchen Vermögenswert innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach dem Erbfall verpflichtet ist, eine Erklärung über die Grunderwerbsteuer bei der für die Immobilie zuständige Gemeinde einzureichen.
IV. Mobilien
Sehr häufig schließt der Nachlass Kraftfahrzeuge, die zum s. g. beweglichen Vermögen gehören, ein. Bei dieser Art von Vermögenswerten gelten jedoch andere Regeln: Die Fahrzeugpapiere sind nunmehr auf den Namen des Erben auszustellen. Das Fahrzeug darf erst nach aufgrund dieser Regelung erfolgter Zulassung frei genutzt werden. Selbstverständlich sind die für das Vorjahr fälligen Steuern zu begleichen.
V. Besondere Hypothesen
Eine heutzutage häufig auftauchende Frage ist mit dem digitalen Nachlass verbunden. Leider wurde dieses Thema gesetzlich noch nicht geregelt und die Gesetzgebung muss hier noch nachziehen. Das eigentliche Problem beim Beerben digitaler Vermögenswerte besteht hauptsächlich darin, dass die Erben meistens nichts von ihrer Existenz wissen.
Eine wesentliche Besonderheit der digitalen Vermögenswerte ist, dass es sich dabei um elektronische, digitale Einträge handelt, die als Objekte im realen Leben nicht existieren können. Diese Besonderheit wirft nun die Fragen auf, ob sie in den Nachlass einbezogen werden dürfen, wie sie zu verwalten sind und ob sie als Gegenstand eines Teilungsverfahrens benannt werden können.
Das beste Beispiel aus diesem Bereich sind die Kryptowährungen. Da die Kryptowährungen nicht physisch getrennt sind, stellt sich die Frage zu ihrer Aufbewahrung oder Übertragung auf das Vermögen der Erben. Sie werden im Blockchain-System, das im Gegensatz zu traditionellen Banken nicht zentral, sondern auf alle Rechner, die sie verbindet, gespeichert wird, materialisiert. Der Zugang zum System erfolgt über die s. g. privaten Schlüsseln, die in Blockchain-Wallets aufbewahrt werden. Die Kryptowährung selbst z. B. Bitcoin ist nicht vererblich, was für den Zugang zu den privaten Schlüsseln nicht gilt. Sollten die Erben jedoch über die s. g. Schlüssel nicht verfügen, können die digitalen Vermögenswerte für immer im Blockchain-System unter Schloss und Riegel bleiben.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis ist die weit verbreitete Nutzung des führenden Online-Zahlungssystems PayPal. PayPal selbst hat Standardbedingungen, die für den Fall des Todes des Kontoinhabers in Kraft treten, festgelegt. Das Hauptproblem, das in solchen Fällen auftreten kann, besteht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Meldung des Todes des Kontoinhabers durch den Testamentsvollstrecker und einen Nachweis zum Testamentsvollstrecker erfordern. Diese Regelung wirft weitere Probleme auf, da die Erblasser zu Lebzeiten selten ein Testament verfassen und noch seltener einen Testamentsvollstrecker benennen. Und selbst wenn ein Testament vorliegt, werden die digitalen Vermögenswerte ganz außer Acht gelassen. Sollte der Erbe kein Testament vorlegen können, hat er laut Gesetz einen Nachweis, der ihn als Erben legitimiert wie z. B. einen Erbschein, vorzulegen. Bei einer positiven Stellungnahme von PayPal wird das Guthaben des virtuellen Kontos des Verstorbenen auf ein vom Erben benanntes Konto überwiesen. Das System sieht keine andere Möglichkeit zur Auszahlung der auf dem virtuellen PayPal-Konto vorhandenen Guthaben vor und daher sollten die an das PayPal-Konto geknüpften Bankkonten vor der Regelung des Verfahrens mit PayPal nicht geschlossen werden.
Ein weiteres besonderes Beispiel für digitales Erbe sind die Domains. Theoretisch kann das Recht an einem Domainnamen vererbt werden, da es sich um ein dingliches Recht, das nicht zu den persönlichkeitsbezogenen Rechte gehört, handelt. Demzufolge ist es grundsätzlich vererblich. In Bezug auf die Domains mit der Endung „.bg“ wird in Bulgarien ein Register unter Register.BG, das die Allgemeinen Registrierungsbedingungen festlegt, geführt. Konkrete Regelungen zum Todesfall des Antragstellers, Wechsel des Domain-Eigentümers, Domain-Verwaltung und für die Folgen, wenn nur ein Erbe die Verwaltung übernimmt, gibt es jedoch nicht. Beim Erben von Domain-Rechten können insofern Probleme auftreten, wenn die Erben sich darüber nicht einig werden können, wie sie künftig vorgehen möchten oder wenn einer von ihnen sich gegen die Fortführung des Domains ausspricht.
VI. Beteiligungen an Gesellschaften
Wenn der Erblasser ein Einzelkaufmann war, wird beim Ableben des Kaufmanns der Nachlass, der sowohl sein Privatvermögen als auch das Vermögen des Einzelkaufmanns einschließt eröffnet. Das ist so, da die Tätigkeit des Einzelunternehmens an die natürliche Person des Kaufmanns geknüpft ist. Die Steuerschulden des Einzelkaufmanns fließen ebenfalls in den Nachlass ein. Das gilt unabhängig davon, ob einer der Erben die Geschäftstätigkeit fortführt oder aufgrund des Todes des Kaufmanns das Unternehmen geschlossen werden soll.
Was die offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, die zu den s. g. Personengesellschaften gehören, begrifft, greift hier das allgemeine Recht, dass die Gesellschaft i. d. R. beim Tod eines Gesellschafters aufzulösen ist, sofern nichts anderes vereinbart wurde. D. h. dass das Gesetz auch eine andere Möglichkeit, die im Gesellschaftsvertrag zu regeln ist, einräumt, und zwar dass die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters nicht aufzulösen ist. Bei diesen Gesellschaften können die Erben für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftbar gemacht werden, wenn die Gesellschaft selbst kein Vermögen besitzt. Wenn die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters andererseits aufgelöst werden soll, dann erlangen die Erben den Anspruch auf einen Liquidationsanteil, der ihren Erben zusteht. Sollten die Erben nicht als Gesellschafter anstelle des verstorbenen Erblassers eintreten mögen, stehen ihnen der Wert der Beteiligung des Erblassers und die entsprechenden Gewinne für den Zeitraum bis zur Auflösung zu.
Als nächstes erfolgt bei den Aktiengesellschaften, die typische Kapitalgesellschaften sind, die Erbfolge durch Beerben der Geschäftsanteile. Bei den Kapitalgesellschaften ist die Identität des Gesellschafters irrelevant und das Vererben der Beteiligung wird nicht in Frage gestellt. Die schulden der Kapitalgesellschaften sind keine Schulden der an ihnen beteiligten Personen und aus diesem Grund werden die Verbindlichkeiten der Gesellschaften in Bezug auf Steuern, Abgaben und weitere staatlichen und kommunalen Verbindlichkeiten sowie die Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten der Gesellschaft von den Erben des verstorbenen Gesellschafters geerbt. Bei bestehender Beteiligung und sofern die Satzung der Aktiengesellschaft nichts anderes vorsieht, tritt der Erbe mit der Annahme der Erbschaft als Gesellschafter ein. Die Annahme der Erbschaft ist erst mit der Eintragung in das Aktienregister rechtskräftig. Werden die Aktien aufgrund eines Testaments geerbt, hat sich der Erbe gegenüber der Aktiengesellschaft durch Vorlage des Testaments auszuweisen und die Eintragung in das Aktienregister erfolgt dann aufgrund des Testaments. Für ihre Vererblichkeit müssen die Aktien jedoch bestimmten Voraussetzungen genügen. Nach Maßgabe des bulgarischen Handelsgesetzes kann die Aktiengesellschaft auch unverbriefte Aktien emittieren. Der Unterschied besteht darin, dass die Erben die Rechte an den unverbrieften Aktien nicht etwa mit der Eröffnung des Nachlasses oder der Erbschaftsannahme gesetzlich erben, sondern erst mit ihrer Eintragung als Aktionäre in der Wertpapierverwahrstelle.
Nicht weniger bedeutend ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Hier hängt die Abtretung der Geschäftsanteile an die Erben von den Regelungen der Gründungsurkunde der Gesellschaft. Bei der GmbH bestehen folgende Möglichkeiten:
- wenn mit der Gründungsurkunde das Vererben von Geschäftsanteilen ausgeschlossen wurde, können die Erben sich daran nicht beteiligen. Sie haben jedoch einen Anspruch auf den Gegenwert der von ihrem Erblasser gehaltenen Geschäftsanteile.
- Sollte die Gründungsurkunde das Vererben von Geschäftsanteilen vorsehen, treten die Erben automatisch als Gesellschafter ein.
Hier ist zu vermerken, dass die Erben keine bestimmte Anzahl an Geschäftsanteile erwerben. Sie erhalten ideelle Anteile an jedem geerbten Geschäftsanteil an der Gesellschaft, die ihrem Erbrecht entspricht. Sollte beispielsweise der verstorbene Gesellschafter 10 Anteile gehalten haben und 2 volljährige Kinder hinterlassen, erlangt jeder davon einen ideellen Anteil von ½ an jedem dieser 10 Geschäftsanteile und nicht etwa 5 Geschäftsanteile.
Seit neuestem besteht in Bulgarien auch die Möglichkeit, eine Gesellschaft mit variablem Kapital zu gründen. Es handelt sich hierbei um eine Kapitalgesellschaft, bei der es keine Meldepflicht des Kapitalbetrags besteht. Das Gesetz lässt ausdrücklich das Vererben, die Abtretung und Pfändung von Geschäftsanteilen an einer solchen Gesellschaft zu. Sofern der Gründungsvertrag nichts anderes vorsieht, treten die Erben im Todesfall eines Gesellschafters in die Gesellschaft nach eigenem Wunsch ein. Der Eintritt ist innerhalb einer Frist von drei Monaten ab dem Eintritt der Festlegung des Nachlasses anzuzeigen. Sollten die Erben nicht in die Gesellschaft eintreten mögen, hat die Gesellschaft den Verkehrswert des Geschäftsanteils zum Todeszeitpunkt des Gesellschafters auszuzahlen. Das Vererben, die Abtretung und die Verpfändung von Geschäftsanteilen sind gegenüber der Gesellschaft erst mit ihrer Eintragung in die Gesellschafterliste rechtskräftig.