Heutzutage ist es fast ausgeschlossen in Bulgarien einen Immobilienkaufvertrag ohne den Abschluss eines Vorvertrags abzuwickeln. Diese Vorgehensweise ist notwendig, da das bulgarische Immobilienrecht im Gegensatz zum deutschen das Trennungs- und Abstraktionsprinzip nicht kennt und deshalb die schuldrechtlichen Regelungen des Vertrages nicht in der notariellen Eigentumsurkunde, die nur die dingliche Eigentumsübertragung regelt, aufgenommen werden können.
In diesem Artikel werden sowohl die rein juristischen Aspekte des Vorvertrags zum Immobilienkauf in Bulgarien erörtert, als auch Privatpersonen und Unternehmen einige praktische Tipps gegeben, einschließlich im Hinblick auf die Rechtsprechung bei Streitigkeiten, die im Laufe der Beurkundung des Geschäfts aufgetreten sind.
Meistens unterläuft der Immobilienkauf zwei Phasen:
- Abschluss eines Vorvertrags zwischen den Vertragsparteien und
- Abschluss des Hauptvertrags durch notarielle Beurkundung.
Der wesentliche und Hauptunterschied zwischen beiden Verträgen besteht in der damit erzielten Wirkung. Mit dem Vorvertrag wird die Regelung und in bestimmter Hinsicht die Sicherung des rein schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen des Geschäfts – die Vereinbarung des Kaufpreises, die Erwerbsbedingungen, Fristen, Rechte und Pflichten der Vertragsparteien – und mit dem Hauptvertrag wird die s. g. translative Wirkung – die rein formelle Eigentumsübertragung vom Patrimonium des Verkäufers auf den Käufer – erzielt.
Wichtig dabei ist zu beachten, dass in Bulgarien der Abschluss eines Vorvertrags kein Eigentumsrecht für den Käufer begründet. Dieses wird erst mit der Abwicklung des Geschäfts in Form einer notariellen Urkunde begründet, bzw. mit dem rechtskräftigen Beschluss des Gerichts zur Erklärung des Vorvertrags für rechtskräftigen Hauptvertrag.
I. Rechtsvorschriften zum Vorvertrag
Das Institut des Vorvertrags wird im bulgarischen Gesetz über die Schuldverhältnisse und Verträge (SVG), insbesondere mit Art. 19, geregelt. Im Gegensatz zum Hauptvertrag des Immobilienkaufs, der einer notariellen Beurkundung bedarf, ist für den Vorvertrag in Bulgarien lediglich die Schriftform ausreichend. Unter “Schriftform” eines Vorvertrages ist üblich die Wiedergabe der Willenserklärungen auf Papier, das von den Parteien unterzeichnet ist, zu verstehen. Angesichts der rasanten Entwicklung der Digitalisierung in allen Kommunikationsbereichen und durch alle Arten von Kommunikationsmitteln, die insbesondere in Zeiten der globalen Pandemie nach 2020 gestiegen ist, stellt sich zweifellos die Frage ob es im Falle eines elektronischen Briefwechsels und der Zahlung einer Kaution angenommen werden kann, dass die Schriftform für die Gültigkeit des Vorvertrages eingehalten ist. Praktischerweise kann in einem elektronischen Briefwechsel die Zustimmung über den Hauptinhalt des Vertrages vereinbart werden und danach kann der elektronische Briefwechsel auf Papier wiedergegeben werden. Das hat jedoch nicht die Charakteristik eines privaten Dokuments, wenn es nicht die Unterschrift ihres Ausstellers trägt. Laut dem Gesetz über die elektronischen Dokumente und elektronischen Beurkundungsdiensten ist die Schriftform eingehalten, wenn ein elektronisches Dokument ausgestellt ist, das eine elektronische Äußerung enthält und mit qualifizierter elektronischen Signatur (QES) unterzeichnet ist. Es ist auch zulässig, dass eine einfache elektronische Signatur an die handschriftliche Signatur angeglichen wird, wenn die Parteien sich damit vereinbart haben. Diese Vorschriften gelten nicht an Geschäfte, für die das Gesetz eine qualifizierte Schriftform vorschreibt, deswegen kann der Hauptvertrag niemals auf diese Weise abgeschlossen werden.
Bei der Anfertigung der notariellen Urkunde und endgültigen Übertragung des Eigentumsrechts an der Immobilie, hat der Verkäufer dem Notar sein Eigentumsrecht an der Sache nachzuweisen. Eine solche Anforderung besteht für den Vorvertrag jedoch nicht. Ob der Verkäufer zum Zeitpunkt des Vorvertragsabschlusses der Eigentümer der Immobilie ist, ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit desselben. An sich stellt der Vorvertrag ein Verkaufsversprechen dar. Als häufige Rechtskonstruktion taucht die Verpflichtung des Verkäufers zum/zur Erwerb/Errichtung der Immobilie und nachfolgender Übertragung bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen und gegen Leistung eines bestimmten Kaufpreises seitens des Käufers auf. Das ist des Öfteren der Fall bei den s. g. "vom Plan weg Verträgen", bei denen sich eine Person (Verkäufer/Bauträger/Auftragnehmer) mit der Errichtung eines Bauwerks (Immobilie) verpflichtet, indem in den meisten Fällen das Eigentumsrecht nach der Inbetriebnahme durch Urkunde Nr. 16 mit dem Abschluss eines notariell beurkundeten Hauptvertrags übertragen werden soll.
Für seine Wirksamkeit bedarf ein Vorvertrag zum Immobilienkauf der klaren Individualisierung der Immobilie. Die zwingende Rechtsprechung des Obersten Kassationsgerichts in Bulgarien ist eindeutig in der Aussage, dass die Individualisierung einer Immobilie im Vorvertrag nicht nur der Benennung ihrer Fläche und Räumlichkeiten bedarf, sondern der Grenzen, da die „Fläche eine Funktion aus den Immobiliengrenzen darstellt“. Zum Bsp. bei einem Vorvertrag einer Wohnung sind die Nummer der Wohnung, der Garage, die Fläche, das Stockwerk, auf das sich die Wohnung befindet, eine Beschreibung der Räumlichkeiten, der gemeinschaftlichen Anteile des Bauwerks sowie die Nachbarn anzugeben.
Erhöhte Aufmerksamkait verdienen dabei die oben genannten „vom Plan weg Verträgen“. Da in dieser Etappe noch keine Katasternummern, steuerliche Wertschätzung usw. vorliegen, mit dem Bau noch nicht begonnen wurde und nachträgliche Änderungen an den genehmigten Bauunterlagen möglich sind, wird häufig nur eine kurze Beschreibung des Оbjekts ohne Angaben zu den Nachbarn und anderen notwendigen Details gegeben. Falls die Unklarheit bei der Beschreibung des Objektes im Vorvertrag so wesentlich ist, dass es kеine begründete Schlussfolgerung für die Wille der Parteien und die Individualisierung der Immobilie als einzelnes, unabhängiges Objekt des Eigentumsrechts, das sich von anderen ähnlichen Objekten durch seine eigenen Parameter unterscheidet, gezogen werden kann, kann das zu Problemen bei der erfolgreichen Dürchführung einer Klage von der Erklärung des Vorvertrags zum endgültigen führen.
II. Warum einen Vorvertrag abschließen?
Der Vorvertrag verkörpert rein praktische Eigenschaften, die sich im Laufe der Kauf-/Verkaufsabwicklung der Immobilie offenbaren. Am häufigsten führt der Abschluss eines Vorvertrags zur Einstellung des Angebots der Immobilie auf den Immobilienmarkt. Dafür leistet der Käufer einen bestimmten Prozentsatz vom Kaufpreis (meistens 10 % vom Gesamtpreis), den die Vertragsparteien gewöhnlich, jedoch nicht auf jeden Fall, als Anzahlung (in der Praxis auch Lossagungsgeld genannt) im Sinne des Art. 93 SVG vereinbaren.
Sollte der Käufer nicht in der Lage sein, den Restwert des Kaufpreises innerhalb der vereinbarten Frist zu leisten, behält der Verkäufer die Anzahlung zurück. Sollte der Verkäufer seiner Verpflichtung zur Übertragung der Immobilie mit einer notariellen Urkunde nicht erfüllen, besteht für den Käufer die gesetzliche Möglichkeit zur Geltendmachung der Erstattung der Anzahlung in doppelter Höhe. Sollte der Käufer über den gesamten Kaufpreis verfügen, kann mit dem Vorvertrag eine Ratenzahlung erzielt und damit Zeit für die Beschaffung des Restpreises gewonnen werden. In vielen Fällen setzt der Käufer den Vorvertrag als Verhandlungsgrundlage für die Gewährung eines Hypothekendarlehens zur Zahlung des Kaufpreises ein. Die Banken ihrerseits gewähren dieses Darlehen für den Erwerb der Immobilie unter der Voraussetzung, dass sie an der ersten Rangstelle bei der Hypothek zur Absicherung der Forderung eingetragen werden.
Ein weiteres Merkmal des Vorvertrags für den Immobilienkauf in Bulgarien sind die Sicherheiten, die die Vertragsparteien damit vereinbaren. In diesem Sinne verpflichtet sich häufig der Verkäufer, zum Unterzeichnungstag des Hauptvertrags eine Bescheinigung über die Lastenfreistellung der Immobilie – von Hypotheken, einstweilige Verfügungen, eingetragene Klagen, begründetes Nutzungsrecht usw. – zu beschaffen. Die Nichterfüllung dieser Bedingung dient als Grund zur Auflösung des Vertrags von der anderen Vertragspartei.
Eine weit verbreitete Praxis beim Immobillienkauf ist die Zahlung der sogenannte „Stop-Kaution“ – die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags, um den Verkäufer zu verpflichten, abzuwarten und für eine bestimmte Zeit die Immobilie nicht anderen Interessenten anzubieten. Für den Abschluss eines solchen Vertrages ist keine Form erforderlich, trotzdem wird häufig eine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Vereinbarung nur Organisationsharakter hat und üblicherweise nicht alle wesentlichen Bedingungen des endgültigen Vertrags enthält. Diese Vereinbarung kann nicht für Vorvertrag gehalten werden.
III. Nichterfüllung. Antrag auf Abschluss des Hauptvertrags.
Meistens vereinbaren die Vertragsparteien im Vorvertrag den Tag und Uhrzeit, zu denen sie bei einem bestimmten Notar für die notarielle Beurkundung des Hauptvertrags erscheinen wollen. Aus einem oder anderem Grund kommt es oft nicht zum Abschluss eines Hauptvertrags. Der häufigste Grund dafür ist, die Unmöglichkeit des Käufers den Restpreis zu beschaffen oder das Nichterscheinen des Verkäufers zum bestimmten Ort und Zeit. In solchen Fällen ist es wichtig, dass die redliche Vertragspartei die Erstellung eines Feststellungsprotokolls vom Notar anfordert, in dem festgehalten wird, dass er erschienen ist und bereit war, den Hauptvertrag beurkunden zu lassen (der Käufer ist erschienen und war bereit, den Restpreis zu zahlen oder der Verkäufer ist erschienen und hat die für die Erstellung der notariellen Urkunde erforderlichen Unterlagen mitgeführt).
In diesem Fall hat die redliche Vertragspartei zwei Möglichkeiten. Bei der ersten Möglichkeit hat sie die unredliche Vertragspartei zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten durch Einräumung einer angemessenen Frist zu ermahnen. In der Mahnung ist anzugeben, dass bei fruchtlosem Verstreichen der Nachfrist der Vertrag aufgelöst wird. Im Falle der Vertragsauflösung kann die redliche Vertragspartei die Erstattung der geleisteten Beträge, und sofern einige davon ausdrücklich als Anzahlung vereinbart worden sind – in der doppelten Höhe geltend machen.
Die zweite Möglichkeit besteht im Recht der redlichen Partei auf Einreichung einer Klage nach Art. 19 Abs. 3 SVG, womit die Erklärung des Vorvertrags zum rechtskräftigen Hauptvertrag beantragt wird. Der Anspruch auf Erklärung des Vorvertrags zum endgültigen Hauptvertrag verjährt mit Ablauf der allgemeinen fünfjährigen Verjährungsfrist gemäß Artikel 110 SVG. Da jede Partei des Vorvertrags sowohl Gläubiger als auch Schuldner in der Klage von der Erklärung des Vorvertrags zum endgültigen Hauptvertrag ist, läuft die Verjährungsfrist für beide Parteien. In den meisten Fällen klagt der Käufer, dass er einen bestimmten Prozentsatz vom Kaufpreis geleistet hat, aber der Verkäufer die Übertragung des Eigentumsrechts an der Immobilie verweigert. In solchen Verfahren hat der Kläger nachzuweisen, dass er seinen Vertragspflichten nachgekommen ist. Meistens dient als Nachweis dafür das vom Notar erstellte Feststellungsprotokoll, womit die Bereitschaft des Klägers zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Vorvertrag bescheinigt worden ist.
Für den Fall einer nach Art. 19 Abs. 3 eingereichten Klage zur Erklärung des Vorvertrags zum rechtskräftigen Hauptvertrag ist eine Gerichtsgebühr in Höhe von 4 % von ¼ der Steuerschätzung der Immobilie (d.h. insgesamt 1 % vom Wert der Steuerschätzung) zu entrichten. Hier ist zu vermerken, dass die Klage nach Art. 19 Abs. 3 einer Eintragung im Grundbuch der Eintragungsagentur unterliegt. Die Eintragung hat eine öffentliche und für Dritte eine anzeigende Wirkung. Dafür wird ebenfalls eine staatliche Gebühr von 0,1 % vom ¼ der Steuerschätzung der Immobilie, jedoch mindestens in Höhe von 10 Leva, erhoben.
Das bulgarische Gericht erklärt den Vorvertrag als rechtskräftigen Hauptvertrag, bzw. überträgt das Eigentumsrecht an der Immobilie nach Sicherstellung, dass der Verkäufer auch der eigentliche Immobilieneigentümer ist. Der Urteilsspruch beinhaltet die Voraussetzung, dass seitens des Käufers Nachweise über die entrichteten notariellen Gebühren, Gebühren nach dem Gesetz über die kommunalen Steuern und Abgaben und die Gebühr für die Eintragung der Übertragung beim Eintragungsamt vorgebracht worden sind. Für diese Beträge ordnet das Gericht eine einstweilige Verfügung auf die Immobilie einzutragen, die nach dem Vorbringen der Zahlungsnachweise gelöscht wird.