Zu den Funktionen und Zwecken des Rechtssystems gehören auch die Durchsetzung einer Reihe von Rechten und der Schutz der Interessen der Bürger. Diese Gewährleistung findet Ausdruck in verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten, die zum Schutz dieser Rechte im Falle ihrer Verletzung eingesetzt werden können. In diesem Sinne räumt z. B. das Gesetz die Möglichkeit zur Auflösung des Vertrags, zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen oder Erstattung von ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen ein. Doch zur Erzielung dieses gesetzlichen Schutzes, der Herstellung der Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit, sind Taten, Handlungen und Geltendmachung von Ansprüchen und kein tatenloses Zusehen seitens des Rechtsträgers erforderlich.
Eine enorme Auswirkung auf die zivilrechtlichen Beziehungen hat der unter Art. 110 vom Gesetz über die Schuldverhältnisse und Verträge festgelegte Grundsatz, und zwar:
„Mit Ablauf von fünf Jahren verjähren alle Forderungen, für die der Gesetzgeber keine andere Frist vorsieht.“
Das ist die grundlegende Bestimmung, womit die s. g. Verjährung – die gesetzlich festgelegte Frist, nach deren Ablauf die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs eines Gläubigers beim Schuldner wegfällt – geregelt wird. Die Rechte und Pflichten bestehen weiterhin fort, der Schuldner kann seiner Verbindlichkeit nachkommen und diese kann geleistet werden. Diese Besonderheit liegt vor, wenn der Gläubiger seinen Anspruch gerichtlich geltend macht, der Schuldner kann sich dabei jedoch auf die Verjährungsfrist von fünf Jahren berufen und somit wird das Gericht den Anspruch nicht stattgeben. Da die Verjährung ein gemeinsames Institut von mehreren Rechtssystemen in ihrer Varietäten (vergl. § 194 des deutschen Bundesgesetzbuchs, § 933 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs) ist, wäre eine kurze Erwähnung ihrer Hauptmerkmale und einer nicht erschöpfenden Liste der Verjährungsfristen im bulgarischen Recht ein praktischer Leitfaden für diejenigen, die sich einen Schutz ihrer Rechte in Bulgarien wünschen. Unsere Erfahrung zeigt, dass das Kennen der Verjährungsfristen und des Begriffs der Verjährung im Allgemeinen von enormer Bedeutung für die Beurteilung der Möglichkeiten zum Rechtsschutz in Bulgarien sein kann. Oft ist der Träger des Anspruchs durch seine Vorkenntnisse zu den Verjährungsfristen lt. Heimatrecht (z. B. des deutschen Rechts) fehlgeleitet und kann das Risiko aus den lt. bulgarischem Recht anderslautenden Verjährungsfristen nicht richtig einschätzen.
Während die allgemeine Verjährung nach Ablauf von fünf Jahren eintritt, sind im Gesetz eine Reihe weiterer Sonderregelungen, die wir weiter unten erörtern werden, vorgesehen.
Unter Art. 111 SVG sind die Sondervorschriften zur verkürzten Verjährung von drei Jahren, die für einige Ansprüche anzuwenden ist, aufgeführt:
- Forderungen aus Vergütung geleisteter Arbeit, sofern keine andere Verjährungsfrist vorgesehen ist – hier ist klarzustellen, dass es sich dabei nicht um Vergütungen aus Arbeitsverhältnissen handelt. Ihre Verjährung ist im Arbeitsgesetzbuch geregelt und das SVG regelt hingegen die Vergütungen, die sich aus Dienst- und Werkverträgen ergeben, z. B. aus einem Verlagsvertrag, Vertrag über die Öffentlichkeitsarbeit, Übersetzungsvertrag usw.
- Schadensersatzansprüche und Konventionalstrafen bei Nichterfüllung eines Vertrags – sämtliche Ansprüche, die sich auf die Nichterfüllung eines Vertrags berufen, verjähren mit dem Ablauf von 3 Jahren;
- wiederkehrende Zahlungen – dazu gehören sämtliche regelmäßige Zahlungen wie z. B. für Miete, Kosten für Telekommunikations- oder öffentlichen Versorgungsdienstleistungen. Dazu gehören auch die Vertragsstrafen und Zinsen, die als monatliche Forderung berechnet werden.
Die dreijährige Verjährungsfrist gilt grundsätzlich für Ansprüche zur Nichtigkeitserklärung eines Vertrags, ausgenommen einer Nichtigkeitserklärung aus vorrangigen Gründen (hier gilt eine Verjährungsfrist von einem Jahr).
In Bulgarien wird auch häufig ein Schuldschein erstellt und dieser gehört somit zu den am meisten verwendeten Wertpapieren im Land. Aufgrund der Sicherheit und des schnellen Umsatzes, wurde eine kürzere Verjährungsfrist von drei Jahren auch für die Ansprüche gegen den Bezogenen/Schuldners bei Wechsel/Schuldschein – Art. 531 Abs. 1 HG – festgelegt. Die Frist läuft ab dem Verfalltag oder ab Geltendmachung des Gläubigers, bzw. der Ablehnung des Schuldners die Forderung zu leisten, an.
Ansprüche aus Speditionsverträge (Verträge, laut welche der Spediteur sich gegen Entgelt verpflichtet, im eigenen Namen auf Rechnung des Kunden einen Beförderungsvertrag abzuschließen) verjähren die Schadensansprüche in einem Jahr – Art- 366 HG.
Die Schadensansprüche aus dem Frachtvertrag verjähren ebenfalls in einem Jahr – Art. 378 HG.
Von besonderem Interesse im internationalen Güterverkehr ist die im Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vorgesehene Verjährungsfrist, die sowohl für das bulgarische Recht als auch für das deutsche Recht maßgeblich ist. Die Ansprüche, die sich aus Beförderungen laut dem CMR berufen, verjähren in einem Jahr. Sollte jedoch nach dem für das angerufene Gericht anwendbare Recht ein Betrug oder vorsätzlicher Irrtum vorliegen, beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre.
All diese Fristen sind zwingende gesetzliche Vorschriften und die Parteien können ihre Verkürzung, Verlängerung oder die Lossagung der Verjährung vor Ablauf der Frist nicht vereinbaren (Art. 113 SVG). D. h. die Parteien eines Rechtsverhältnisses dürfen keine Vereinbarung darüber abschließen, dass keine Verjährungsfrist läuft oder eine andere, als die vom Gesetz für diese Art Forderungen vorgesehen ist, gelten soll.
Dem Grundsatz des Art. 114 Abs. 1 SVG nach beginnt die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt, an dem die Forderung fällig ist. Als Nächstes wird auch der Beginn der Verjährungsfrist für Forderungen, für die kein Fälligkeitsdatum, sondern ihre Leistung nach Aufforderung des Schuldners vereinbart worden ist, geregelt. In diesem Fall läuft die Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit und nicht etwa ab dem Tag der Aufforderung an. Für Forderungen aus deliktischen Schadensersatzansprüchen beginnt die Verjährungsfrist nach Ausfindigmachung des Täters. Auch für die unter Art. 114 SVG genannten Fälle läuft der Anspruch auf Verzugsentschädigung ab dem letzten Tag, an dem die Vertragsstrafe angerechnet wird.
Es ist zu beachten, dass zwischen bestimmten Personen keine Verjährungsfristen laufen, sofern sie in einer Beziehung zueinander als Kind und Eltern, als Ehegatten, Vormund oder Geschäftsführer und Gesellschaft, stehen. Erst nach Aufhebung dieser Beziehungen, läuft die Verjährungsfrist erneut an – Schlussfolgerung aus Art. 115 SVG. Die Verjährung wird für die Dauer einer gerichtlichen Verhandlung bis zum Urteilsspruch für Gläubiger und Schuldner gehemmt. Je nach gerichtlicher Entscheidung kann die Verjährungsfrist ab dem Tag, an dem sie durch die Klageerhebung gehemmt worden ist, verlängert werden, und sofern zugunsten des Gläubigers entschieden wird, ist eine Zwangsvollstreckung, die für eine rechtskräftige Entscheidung binnen einer Frist von fünf Jahren zu erfüllen ist, möglich.
Die Verjährung kann außer gehemmt, auch unterbrochen werden. Der Unterschied besteht darin, dass bei einer Hemmung, die Verjährungsfrist nicht weiterläuft, sie ist „auf Eis gelegt“, und sofern der Grund für die Hemmung entfällt (Stattgabe der Klage), läuft sie ab dem Ende der Hemmung weiter. Bei einer Unterbrechung läuft eine neue Verjährungsfrist für die gesetzlich vorgesehene Dauer. Das Gesetz regelt die Unterbrechung für folgende drei Fälle, und zwar:
- mit der Anerkennung der Forderung des Schuldners – d. h der Schuldner hat schriftlich oder auf eine andere rechtsgültige Weise die Forderung des Gläubigers anerkannt. Und hier gilt erneut das Beispiel des Mieters, sollte er im zweiten Jahr anerkennen, dass er die Mietpreise zu leisten hat, wird die Verjährungsfrist unterbrochen und der Vermieter genießt den gesetzlich gesicherten Schutz für eine Frist von drei weiteren Jahren und nicht etwa nur für das eine verbleibende Jahr bis zum Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist;
- mit Einreichung einer Klage, eines Einspruchs oder Antrags auf Schlichtungsverfahren. Sollte der Klage nicht stattgegeben werden oder sie keine außergerichtliche Vereinbarung erzielen können, gelten die Verjährungsfristen nicht für unterbrochen, sondern laufen weiterhin fort und hier ist ein besonderes Augenmerk darauf zu setzen, dass Ihnen die Möglichkeit zum Rechtschutz Ihrer Interessen nicht entgeht;
- und der dritte Fall bezieht sich auf die Vornahme von Vollstreckungshandlungen, womit die Verjährungsfrist unterbrochen wird. Wie bereits weiter oben erwähnt wurde, sofern eine rechtskräftige Entscheidung oder einen außergerichtlichen Vollstreckungstitel vorliegt, wird die Verjährungsfrist durch die Vollstreckungshandlungen unterbrochen, da davon ausgegangen wird, dass diese Handlungen zum Schutz von Rechten vorgenommen werden.
Für Versicherungsverträge finden folgende Sondervorschriften Anwendung:
Art. 378 (1) Die Rechte und Pflichten aus einem Versicherungsvertrag verjähren in Verbindung mit dem Schadensersatzanspruch in drei Jahren ab Eintritt des Versicherungsfalles. Von diesem allgemeinen Grundsatz gibt es auch gesetzlich geregelte Ausnahmen für die Verjährungsfrist, die weiter unten aufgezählt sind. In diesem Sinne gilt für die Rechte und Pflichten aus einem Lebens-, Unfall-, Kranken- und Haftpflichtversicherungsvertrag hinsichtlich des Schadensersatzanspruches eine Verjährungsfrist von fünf Jahren ab Eintritt des Versicherungsfalles – Art. 378 Abs. 2 VGB. Die Haftpflichtversicherung ist die am häufigsten geschlossene Versicherung in Bulgarien und sollte eine Person einen Schadensersatz aufgrund einer Haftpflichtversicherung zu leisten haben, kann es innerhalb von 5 Jahren seine Ansprüche vor den zuständigen Behörden des Landes zur Leistung des Schadensersatzes geltend machen und nicht etwa innerhalb von drei Jahren, wie es für die Versicherungsverträge allgemein gültig ist.
Die Einhaltung und Verfolgung dieser Fristen ist nicht nur für die Arbeit der Juristen von Bedeutung sondern auch für die vertragsrechtlichen oder außervertraglichen Verhältnisse eines jeden, um den vollen Umfang des gesetzlichen Schutzes der eigenen Rechte genießen zu können.
Die Autorin dieses Artikels, Frau Yulita Yankova, ist juristische Mitarbeiterin bei den Rechtsanwälten Ruskov und Kollegen und begleitet regelmäßig Mandanten bei der Beantragung einer Erlaubnis zum langfristigen Aufenthalt in Bulgarien.