Gemäß Art. 330 Abs. 1, p. 6 des bulgarischen Arbeitsgesetzbuches /kurz AGB/ beendet der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag fristlos, wenn der Arbeitnehmer oder der Angestellte aus disziplinarischen Gründen entlassen wird. Die Regelung der disziplinarischen Verantwortung des Arbeitnehmers/Angestellten ist in Kapitel IX, Abschnitt III des AGs geregelt. Damit der Arbeitsnehmer sich vor der unrechtmäßigen Kündigung seitens des Arbeitgebers schützen kann, sollte er detailliert mit dem Verfahren bei Verhängung einer Disziplinarstrafe (welche die Kündigung darstellt) vertraut sein. Zu diesem Zweck wird diese Ausführung die Arten der disziplinarischen Kündigung und die Gründe zu deren Aussprache, sowie die zuständigen Behörden, die diese Strafe verhängen können, behandeln. Schließlich wird dargestellt, wie der Arbeitnehmer sich vor der Kündigung schützt und auf welcher Grundlage der Angestellte eine Klage gegen die unrechtmäßige Kündigung erheben kann.
Die Verletzung der Arbeitsdisziplin ist jede vorsätzliche Nichterfüllung der Arbeitspflichten des Arbeitnehmers. Im Art. 187 des AGB werden verschiedene Arten von Verletzungen der Arbeitsdisziplin genannt – Verspätung, vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes, Nichterscheinen des Arbeitnehmers, ineffiziente Arbeitsweise, Nichterfüllung der Anordnungen des Arbeitsgebers, und im Art. 186 des AG sind die Pflichten während der Arbeit festgelegt – Pünktlichkeit, Anwesenheit während der gesamten festgelegten Arbeitszeit, adäquater und nüchterner Zustand bei der Arbeit, keinen Konsum von Alkohol oder anderen Betäubungsmittel während der Arbeitszeit. Wenn der Arbeitnehmer einer dieser drei Pflichten verletzt hat, kann der Arbeitgeber einer der folgenden drei Sanktionen anwenden: Hinweis, Abmahnung oder Kündigung. Diese Sanktionen sind ausdrücklich vom Gesetzgeber in Art. 188 AGB geregelt und voneinander unabhängig. Außerdem darf für dieselbe Verletzung nur eine Strafe verhängt werden. Abhängig von der Schwere der Verletzung, den Umständen, unter denen sie begangen wurde, und das Verhalten desjenigen Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber eine dieser drei Sanktionen verhängen.
Gründe für disziplinarische Kündigung
- Im Art. 190 Abs. 1 des AG werden ausfürlich die Gründe für disziplinarische Kündigung dargestellt, nämlich: dreifache Verspätung/Nichteinhaltung des Anfangsarbeitszeit/vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes/Nichteinhaltung der Endarbeitszeit/des Arbeitsplatzes in einem Kalendermonat, wobei die Dauer der Pflichtverletzungen nicht weniger als 1 Stunde betragen sollte. Zur Erfüllung der Voraussetzungen der Pflichtverletzung muss sich der Arbeitnehmer/Angestellte innerhalb eines Kalendermonats mindestens dreimal verspätet haben oder vorzeitig den Arbeitsplatz verlassen haben, indem die Verspätung mindestens eine Stunde gedauert hat, d.h. wenn die drei Verspätungen nicht innerhalb eines Kalendermonats erfolgt sind und von kürzerer Dauer waren, ist keine Verletzung der Arbeitspflichten seitens des Arbeitnehmers/Angestellten erfolgt.
- Nichterscheinen innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen – es umfasst die Abwesenheit am Arbeitsplatz innerhalb zwei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen. Wenn die Verletzung nicht an aufeinanderfolgende Tage begangen wurde, kann aus diesem Grund keine disziplinarische Kündigung ausgesprochen werden.
- Systematische Störung der Arbeitsdisziplin – das sind systematische Verletzungen, die drei- oder mehrmals begangen wurden, unabhängig davon, ob sie von der gleichen Art oder unterschiedlich sind. Der Ausmaß der Verletzung in diesem Fall ergibt sich aus der Häufigkeit und Beharrlichkeit, mit der der Arbeitnehmer/Angestellte seine Arbeitspflichten verstößt.
- Missbrauch des Vertrauen des Arbeitsgebers oder Verbreitung für den Arbeitgeber vertrauliche Angaben. Die Rechtssprechung nimmt an, dass bewusstes Verhalten der “Nutzung der vom Arbeitgeber erwiesenen Vetrauen und zum Zweck das unrechmässige Ziehen von Vorteilen zu Gunsten des Angestellten oder einer ihm nahe stehenden Person” ist, die Schädigung des guten Rufs und des guten Namens dagegen wird als unfaire Haltung gegenüber dem Arbeitgeber, Missachtung seinen Rufs und Bloßstellung gegenüber Dritte”. In der Rechtsprechung wird angenommen, dass damit Missbrauch des Vertrauens des Arbeitgebers gegeben ist, es nicht zwingend notwendig ist, dass ein materieller Vorteile für den Angestellten oder eine ihm nahestehende Person vorliegt /Urteil des bulg. Obersten Gerichtes №80 vom 26.03.2010/. Als Schlussfolgerung darauf ergibt sich, dass der Vertrauensmissbrauch gegenüber dem Arbeitsgeber eine gewollte, bewusst unrechtmäßige, d. h. eine vorsätzliche Handlung ist.
- Benachteiligung Dritter seitens des Arbeitnehmers im Handel- und Dienstleistungsbereich mit betrügerischer Absicht bezüglich Kosten, Gewicht, Qualität der Waren und Dienstleistungen - Betrug laut Strafgesetzbuches stellt die Hervorrufen oder Unterhalten der Irreführung bei jemandem mit der Absicht sich oder einem anderen Vorteil zu verschaffen und mit dieser Handlung einen Schaden im fremden Rechtsbereich zu verursachen. Dieser Verstoß kann nur vorsätzlich erfolgen.
- Die Teilnahme an Glücksspiele mit Hilfe von Telekommunikationsmitteln des Unternehmens und die entstandenen Kosten werden in voller Höhe erstattet. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift als Grund für disziplinarische Kündigung ist, dass dieses Telekommunikationsmittel im Besitz des Unternehmens ist. Der Gesetzgeber führte diese Voraussetzung für disziplinarische Kündigung wegen des möglichen erheblichen Umfang der Schäden ein.
- Der Wortlaut, den das Gesetz als letzter Grund für eine disziplinarische Kündigung angibt ist "andere schwere Verletzung der Arbeitsdisziplin." Darunter sind andere Verletzungen der Arbeitsdisziplin zu vestehen, die wichtige Arbeitspflichten des Arbeitnehmers oder des Angestellten sind und die Interessen des Arbeitgebers schützen, Art. 187 AGB. Es ist eine Ermessensfrage, bei welcher das Oberste Gericht in Bulgarien annimmt, dass „das Erscheinen des Arbeitnehmers oder Angestellten am Arbeitsplatz im betrunkenen Zustand“, "verursachte bedeutende Schäden für den Arbeitgeber“ oder"ausgeübte physische oder psychische Gewalt auf einen Studenten von einem Lehrer", schwere Verstöße darstellen.
Pflichten des Arbeitgebers, die vor Eintritt der disziplinarischen Kündigung entstehen
Gemäß Art. 193, Abs. 1 AGB muss der Arbeitgeber sich vor der Kündigung die schriftliche oder die mündliche Stellungnahme des Arbeitsnehmers in Bezug auf die Pflichtverletzung abholen. Es ist wichtig dabei zu beachten, dass wenn der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nachkommt, das Gericht eine disziplinarische Kündigung ablehnt, ohne den Rechtsstreit im Wesentlichen zu betrachten, folglich ist die Nichteinhaltung dieser Pflicht ausreichender Grund für die Aufhebung der Kündigung. Nach den neusten Änderungen des Art. 192 Abs. 1 AGB, in Kraft getreten ab dem 17.07.2015, werden die Disziplinarstrafen nicht nur vom Arbeitgeber oder von anderen vom Gesetzes wegen bevollmächtigten Behörden, sondern auch vom Arbeitgeber bestimmtem Führungskräften verhängt.
Eine andere wichtige Verpflichtung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Erteilung einer solchen Disziplinarstrafe ist, dies innerhalb von zwei Monaten ab Feststellung der Pflichtverletzung seitens des Arbeitnehmers, jedoch nicht später als ein Jahr ab Eintritt dieser (Art. 194, Abs. 1 des AGB). Wenn die Verletzung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit durch ein abschließendes Urteil oder Strafbefehl darstellt, beginnen diese Fristen nach Inkrafttreten des Urteils bzw. Strafbefehls zu laufen.
Die Disziplinarstrafe wird durch einen Beschluss verhängt. Der Beschluss beinhaltet mindestens folgende Informationen:
- wer die Verletzung begangen hat,
- Angaben der Pflichtverletzung,
- das Datum des Eintritts,
- Strafe und Rechtsgrundlage, auf deren Basis gestellt wird.
Wenn der Arbeitnehmer/Angestellte unter folgenden Kategorien fällt: Mutter eines Kindes unter 3 Jahren, eine Person mit geminderter Arbeitsfähigkeit, im bezahlten Jahresurlaub, an eine durch Beschluss des Ministers des Gesundheitsministeriums anerkannten Krankheit leidet, der Angestellte ein Vertreter der Arbeitnehmer/Angestellten in einer Gewerkschaft ist oder an anderen repräsentativen Organisationen teilnimmt, der Angestellte Mitglied des besonderen Verhandlungsgremiums ist, eines europäischen Betriebsrates oder eines Vertretungsorgans der Europäischen Handelsgesellschaft oder Genoßenschaft ist, kann der Arbeitgeber ihn nur mit vorheriger Zustimmung der bulgarischen Arbeitsaufsichtsbehörde (Arbeitsinspektion) in jedem einzelnen Fall entlassen.
Ein Beschluss für das Aussprechen einer Disziplinarstrafe muss mit Unterschrift des Arbeitnehmers zugestellt werden und von diesem Zeitpunkt an wird das Arbeitsverhältnis beendet.
Schutz gegen die Disziplinarkündigung vor Gericht
Ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung beginnt die zweimonatige Frist zu laufen, in dem die Rechtmäßigkeit der Kündigung seitens des Arbeitnehmers angefochten werden kann. Die Klage ist in der Zuständigkeit des Gerichts des Sitzes/Standorts des Arbeitgebers in der ersten Instanz. Gemäß Art. 114 der ZPO kann der Arbeitnehmer seine Klage dort erheben, wo er gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat. Ein wichtiges Merkmal im Verfahren zwischen Arbeitsgebern und -nehmern ist, dass es für die Arbeitnehmer und für die Angestellten gebührenfrei ist, d.h. dass keine Gebühren und Kosten in der Arbeitsrechtssache fällig werden, einschließlich Anträge für den Aufhebung bereits rechtskräftigen Entscheidungen in Arbeitsrechtssachen (Art. 359 AGB). Nach Art. 344 Abs. 1 P. 1 AGB kann der Arbeitnehmer mit der Klage die Anerkennung der Kündigung als rechtswidrig und die Nichtigerklärung der Kündigung beantragen, mit der Klage nach Art. 344 Abs. 1 P. 2 AGB – kann er Wiedereinstellung beantragen, mit der Klage gemäß P. 3 kann er zu seinen Gunsten eine Entschädigung beantragen, da er arbeitslos wegen der Kündigung geblieben wäre. In der Praxis werden die Ansprüche für die Anerkennung der Kündigung als rechtswidrig und deren Ungültigkeitserklärung zusammen behandelt, und häufig auch mit der Klage für Wiedereinstellung auch eine Schadensersatzklage. Ab dem Zeitpunkt der Annahme des Antrags auf Anerkennung der Kündigung als rechtswidrig und seiner Aufhebung, hängt auch der Antrag auf Wiedereinstellung und die Entscheidung über die Entschädigung zusammen. In dem Fall, dass das Gericht die rechtswidrige Kündigung aufhebt und die eingereichtete Klage stattgibt, müssen diese Umstände in der Arbeitsbuch des Arbeitnehmers eingetragen werden, so dass er von denen profitieren kann.