Die Handlungsvollmacht als ein von der zivilrechtlichen Vollmacht gesondertes Institut besteht zur Entlastung des Geschäftsverkehrs, indem dadurch die Geschäfte nicht nur vom Kaufmann persönlich, sondern auch von einer anderen Person in seinem Namen und für seine Rechnung geschlossen werden können. Das bulgarische Handelsgesetz (HG) trennt Handlungsbevollmächtigten und Prokuristen als zwei unselbständige geschäftliche Vertretungsbevollmächtigte. Beide vorerst ähnliche Institute unterscheiden sich sowohl in ihrer Entstehung, Umfang, Inhalt und Rahmen der zu ihrem Gunsten bewirkten Vertretungsmacht als in ihrer Rolle und Funktion für das Handelsgewerbe.
Die Handlungsvollmacht ist ein Institut des deutschen Rechts (§ 54 ff. vom Handelsgesetzbuch). In Bulgarien sind die Regelungen dazu im Art. 26 – 29 Handelsgesetz (HG) enthalten und subsidiär kommen die Regelungen des Zivilrechts zur Anwendung. Die Handlungsvollmacht stellt an sich ein Ermächtigungsgeschäft dar, an der der Kaufmann (als Vollmachtgeber) und der Bevollmächtigte beteiligt sind. Der Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht des Bevollmächtigten werden durch die Willenserklärung des Vollmachtgebers festgelegt.
I. Parteien und Begründung der Vertretungsmacht
Der Vollmachtgeber muss eine handlungsfähige Person und ihm Eigenschaft eines "Kaufmanns" (im Sinne des Art. 1 HG) beilegen, unabhängig davon, ob er eine natürliche oder juristische Person ist. Der Bevollmächtigte muss ebenfalls handlungsfähig sein. Eine Einschränkung auf eine natürliche oder juristische Person besteht ebenfalls nicht (und hier ist der erste Unterschied zur Rechtsfigur des Prokuristen zu finden, für den Art. 21 HG ausdrücklich eine natürliche Person vorschreibt). In der Praxis wäre eine juristische Person als Handlungsbevollmächtigter eher eine Rarität. Die Kaufmannseigenschaft spielt dabei keine Rolle.
Die Handlungsvollmacht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Das Gesetz schreibt eine Form, die das Ermächtigungsgeschäft zu seiner Gültigkeit bedarf, und zwar der Schriftform mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung des Vollmachtgebers (Art. 26 Abs. 1 Satz 3 HG). Die Erteilung einer Prokura zeichnet sich von der Handlungsvollmacht dadurch aus, dass für sie eine notarielle Unterschriftsbeglaubigung des Vollmachtgebers und die Vollmacht zusammen mit der Unterschriftsbeglaubigung in das Handelsregister eintragen zu lassen ist. Die Eintragung an sich, bedingt keine Prokura, sondern ihr kommt lediglich eine deklarative Wirkung zu. Sie ist eine Voraussetzung für die rechtswirksame Ausübung der Vertretungsmacht, die gegenüber Dritten erklärt wird.
Die Gegenleistung des Kaufmanns besteht in der Vergütungszahlung (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 HG). Mit der Vollmacht wird der Bevollmächtigte ermächtigt, im Rechtsbereich des Kaufmanns einzuwirken, aber seine Verpflichtung dazu und die Vereinbarung einer Vergütung ergeben sich aus einem zweiten Rechtsverhältnis, das nach Art. 27 HG in einem Vertrag zu objektivieren ist (Arbeits- oder Auftrags-/Mandatsvertrag – Art. 280 vom Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge /SVG/). Der Vertragsabschluss ist keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Vollmacht und die Vertragskündigung zieht keine Auflösung der Ermächtigung nach sich.
Die Vertragspflichten des Bevollmächtigten gegenüber dem Kaufmann umfassen Folgendes:
- Vertretung des Kaufmanns vor Dritten unter Ausübung der Vertretungsmacht;
- Wettbewerbsverbot - Art. 29 Abs. 1 HG lautet: "Der Prokurist und der Handlungsbevollmächtigte können ohne die Zustimmung des Kaufmanns keine Handelsgeschäfte für eigene oder fremde Rechnung im Rahmen der ihnen erteilten Befugnis abschließen.
- Geheimhaltung des Geschäftsgeheimnisses des Kaufmanns, indem er bei einem Verstoß nach Art. 52 HG nach Maßgabe des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) haftet.
Jeder Kaufmann darf diesen Vertrag einschränken, z. B. den Bevollmächtigten ermächtigen, Geschäfte bis zu einem bestimmten Wert abschließen zu dürfen. Sollte er dagegen verstoßen, bleibt das Geschäft gegenüber Dritten rechtskräftig, aber er hat für den Schaden aus der Nichterfüllung seiner Vertragspflicht gegenüber dem Kaufman aufzukommen.
Die Haftung des Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten bei Überschreitung der übertragenen Vertretungsmacht sowie für eine Verletzung des Wettbewerbsverbots sind unter Art. 29 Abs. 2 und 3 HG geregelt, indem der Kaufmann eine Klage erheben darf, und zwar innerhalb einer Frist von 5 Jahren ab dem Geschäftsabschluss.
II. Inhalt der Vertretungsmacht
Der Umfang der Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten ist unter Art. 26 Abs. 1 Satz 2 HG geregelt worin auch die s. g. Generalvollmacht (allgemeine Vollmacht) geregelt ist: "In Ermangelung weiterer Hinweise ist der Handlungsbevollmächtigte zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb des Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt, ermächtigt." Die Vertretungsmacht schließt die in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 HG aufgeführten Geschäfte aus, und zwar: "Zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung ist der Handlungsbevollmächtigte nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist."
Die Vertretungsmacht des Prokuristen schließt nur einige der aufgeführten Geschäfte aus – die Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Neben der Beschränkung der Prokura auf die Geschäftstätigkeit einer Zweigniederlassung des Kaufmanns, können keine weiteren Beschränkungen gegenüber Dritten auferlegt werden. Für den Handlungsbevollmächtigten ist das jedoch möglich und ein Dritter braucht sie nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste.
Die weiter oben erwähnte Spezialhandlungsvollmacht (noch Sondervollmacht oder besondere Vollmacht genannt) liegt vor, wenn der Vollmachtgeber die einzelnen (und auch faktischen) Handlungen, zu denen der Bevollmächtigte ermächtigt ist – besondere Geschäftsarten oder einzelne Rechtshandlungen – genau vorgibt.
Das zuletzt Genannte empfehlt sich für die Ausübung konkreter Handlungen, die klar und ausführlich bezeichnet sind. Das bulgarische Recht schränkt die Anwendung von Generalvollmachten bei einigen Tätigkeiten zum Schutz der Vollmachtgeber vor Missbrauch von sich aus ein. Für einige Handlungen wie für die Vertretung von staatlichen und kommunalen Behörden, Banken, Dienstleistern usw. bedarf es der ausdrücklichen Ermächtigung.
Ein weiterer Unterschied im Inhalt der Vertretungsmacht birgt sich darin, dass die Befugnisse des Handlungsbevollmächtigten in der Vollmacht und die des Prokuristen durch das Gesetz vorgegeben werden.
III. Untervollmacht
Der Kaufmann darf mehrere Bevollmächtigte ermächtigen. Er kann ihnen eine Einzel- oder Gesamtvertretungsbefugnis erteilen. Mit Art. 39 Abs. 2 vom Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge (SVG) wird angenommen, dass in Ermangelung weitere Vereinbarungen, die Bevollmächtigten zu den ihnen übertragenen Handlungen einzeln befugt sind.
Art. 26 Abs. 3 HG regelt, dass der Handlungsbevollmächtigte ohne die Zustimmung des Kaufmanns seine Handlungsvollmacht auf einen anderen nicht übertragen kann.
Der Prokurist hingegen darf ohne die ausdrückliche Zustimmung des Kaufmanns Untervollmachten an Dritte erteilen, jedoch nur für die Ausführung bestimmter Handlungen und darf sie mit seinen gesetzlich geregelten Befugnissen nicht betrauen (Art. 22 Abs. 1 HG).
IV. Erlöschen der Handlungsvollmacht
Das Handelsgesetz verweist unter Art. 28 auf die Bestimmungen des Zivilrechts laut welchen, die Handlungsvollmacht bei folgenden Hypothesen erlischt:
- mit Widerruf seitens des Kaufmanns;
- durch Erklärung seitens des Bevollmächtigten;
indem beide einseitige schriftliche Willenserklärungen darstellen. oder
3. mit dem Tod oder der Geschäftsunfähigkeit (der natürlichen Person) einer Partei;
4. mit der Auflösung, Umwandlung oder Insolvenzanmeldung (der juristischen Person) einer Partei;
5. durch Zeitablauf, bzw. Erreichen des Zwecks, sofern die Vollmacht befristet oder zweckgebunden ist.
Die Prokura erlischt nach Art. 25 (1) HG mit ihrem Widerruf des Geschäftsinhabers und Eintragung des Widerrufs in das Handelsregister, indem die Eintragung lediglich eine deklarative Wirkung hat. Die Prokura erlischt jedoch mit dem Tod oder der Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsinhabers lt. Abs. 2 nicht.
Der Tod oder die Geschäftsunfähigkeit des Prokuristen begründen andererseits das Erlöschen der Prokura.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rechtsnatur des Handlungsbevollmächtigten und des Prokuristen unterschiedlich ist. Während die Rolle des Prokuristen unmittelbar mit der Führung des Geschäftsbetriebs des Kaufmanns, mit der aktiven Beteiligung an der Geschäftsführung und Beteiligung an den Entscheidungsprozessen in Verbindung gebracht wird, positioniert sich der Handlungsbevollmächtigte näher an dem gewöhnlichen zivilrechtlichen Vertreter, da seine Vertretungsmacht vorwiegend auf den Abschluss bestimmter Geschäfte im Namen und für Rechnung des Kaufkanns beschränkt ist. In diesem Sinne spielt er in der Geschäftswelt eher eine Vertretungsrolle und dem Prokuristen kommt hingegen eher eine geschäftsführende Rolle zu.