„Brüssel I“ regelt die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und Prozessvergleichen in Zivil- und Handelssachen mit transinternationellen Folgen (Artikel 32-58). Eine Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahren bedarf. Die Anerkennung und Vollstreckung werden nach einem leichten Verfahren erfolgt – das ist ein Ausdruck des Grundsatzes der juristischen Freiheit – Freiheit der Bewegung von gerichtlichen Entscheidungen. Besonderheiten dieses Verfahrens sind folgende: das Verfahren unterliegt minimalen Förmlichkeiten und die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden, die Entscheidung muss nicht endgültig sein, sie muss nur vollstreckbar sein; keine Legalisierung und Übersetzung sind notwendig, Maßnahmen zur Sicherung der Vollstreckung sind zulässig; die Gründe für Ablehnung der Annerkennung und Vollstreckung sind ganz wenig und ausführlich in der Verordnung vorgesehen. Auf Verlangen des Gerichts oder der sonst befugten Stelle ist eine Übersetzung der Urkunden vorzulegen. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen. Die Urkunden sowie die Urkunde über die Prozessvollmacht, falls eine solche erteilt wird, bedürfen weder der Legalisation noch einer ähnlichen Förmlichkeit.
I. Anerkennung
Die Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung geltend macht, hat eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Jeder Mitgliedstaat setzt die Gerichte oder die befugten Stellen fest, an die der Antrag gerichtet werden soll. In Bulgarien ist das Landgericht zuständig. Wird die Anerkennung in einem Rechtsstreit vor dem Gericht eines Mitgliedstaats, dessen Entscheidung von der Anerkennung abhängt, verlangt, so kann dieses Gericht über die Anerkennung entscheiden (Artikel 33, § 3). Die Anerkennung kann nur aus folgenden Gründen verweigert werden (gemäß Art. 34 und 35):
- die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde;
- dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte;
- sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist;
- sie mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird.
- Verletzung der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 oder derjenigen zum Schutz von Versicherungsnehmern, Verbrauchern und Arbeitnehmern. Eine weitergehende Zuständigkeitsprüfung kann sich nur aus bilateralen Verträgen ergeben (Art. 72).
Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung geltend gemacht wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist.
II. Vollstreckung
Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Der Antrag ist in Bulgarien an das Landgericht zu richten. Die örtliche Zuständigkeit wird durch den Wohnsitz des Schuldners oder durch den Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, bestimmt. Der Partei, die in einem Mitgliedstaat eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung vollstrecken will, darf wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthalts eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht auferlegt werden.Im Vollstreckungsmitgliedstaat dürfen im Vollstreckbarerklärungsverfahren keine nach dem Streitwert abgestuften Stempelabgaben oder Gebühren erhoben werden (Art. 52). Der Antragsteller hat im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu begründen. Er muss eine Kopie der Entscheidung und eine Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang V der Verordnung „Brüssel I“ beifügen. Gem. Art. 55 §1 wird die Bescheinigung nach Artikel 54 nicht vorgelegt, so kann das Gericht oder die sonst befugte Stelle eine Frist bestimmen, innerhalb deren die Bescheinigung vorzulegen ist, oder sich mit einer gleichwertigen Urkunde begnügen oder von der Vorlage der Bescheinigung befreien, wenn es oder sie eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält. Der Schuldner erhält in diesem Abschnitt des Verfahrens keine Gelegenheit, eine Erklärung abzugeben. Gem. Art. 42 die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung wird dem Antragsteller unverzüglich in der Form mitgeteilt, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht. Die Vollstreckbarerklärung und, soweit dies noch nicht geschehen ist, die Entscheidung werden dem Schuldner zugestellt.
III. Schutz gegen die Durchführung der Vollstreckung
Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen. Der Rechtsbehelf in Bulgarien wird bei dem Oberlandesgericht-Sofia eingelegt. In Deutschland ist das Oberlandesgericht zuständig (Anhang III). Über den Rechtsbehelf wird nach den Vorschriften entschieden, die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör maßgebend sind. Der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung ist gem. Art. 43 § 5 innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung einzulegen. Hat der Schuldner seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem die Vollstreckbarerklärung ergangen ist, so beträgt die Frist für den Rechtsbehelf zwei Monate und beginnt von dem Tage an zu laufen, an dem die Vollstreckbarerklärung ihm entweder in Person oder in seiner Wohnung zugestellt worden ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist, kann nur ein Rechtsbehelf an dritte Instanz eingelegt werden. Die Vollstreckbarerklärung darf von dem mit einem Rechtsbehelf befassten Gericht nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Das Gericht erlässt seine Entscheidung unverzüglich. Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden. Das mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht kann auf Antrag des Schuldners das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt oder die Frist für einen solchen Rechtsbehelf noch nicht verstrichen ist; in letzterem Fall kann das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb deren der Rechtsbehelf einzulegen ist. Das Gericht kann auch die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit, die es bestimmt, abhängig machen.
IV. Maßnahmen zur Sicherung der Vollstreckung
Nach Art. 47 ist eine Entscheidung nach dieser Verordnung anzuerkennen, so ist der Antragsteller nicht daran gehindert, einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung nach Artikel 41 bedarf. Die Vollstreckbarerklärung gibt die Befugnis, solche Maßnahmen zu veranlassen. Solange die Frist für den Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung läuft (ein oder entsprechend zwei Monate) und solange über den Rechtsbehelf nicht entschieden ist, darf die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht über Maßnahmen zur Sicherung hinausgehen.
V. Teilvollstreckung
Gem. Art. 48 ist durch die ausländische Entscheidung über mehrere mit der Klage geltend gemachte Ansprüche erkannt und kann die Vollstreckbarerklärung nicht für alle Ansprüche erteilt werden, so erteilt das Gericht oder die sonst befugte Stelle sie für einen oder mehrere dieser Ansprüche. Der Antragsteller kann beantragen, dass die Vollstreckbarerklärung nur für einen Teil des Gegenstands der Verurteilung erteilt wird.