Die Stattgabe einer Klage vollumfänglich vom Gericht ist verständlicherweise eine große Freude für jeden Kläger. Leider kommt es oft in Bulgarien vor, dass nur ein kleiner Teil der verurteilten Beklagten – meist Versicherungsunternehmen und Banken – die zugesprochenen Beträge unmittelbar und freiwillig nach Inkrafttreten des Urteils bezahlen möchte. Vielmehr ist ein weiteres rechtliches Verfahren erforderlich: die Zwangsvollstreckung. Das ist ein separates Verfahren, das nach Inkrafttreten der Gerichtsentscheidung, auf deren Grundlage der Vollstreckungstitel ausgestellt wird, beginnen kann.
Sobald der Vollstreckungstitel vorliegt, kann das eigentliche Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet werden. Der Gläubiger muss sich hierfür an einen Gerichtsvollzieher wenden – entweder staatlich oder privat –, der die notwendigen Maßnahmen zur Durchsetzung des Anspruchs ergreift. Sobald der Vollstreckungstitel vorliegt, kann das eigentliche Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet werden.
Gemäß der bulgarischen Zivilprozessordnung richtet sich die Wahl des Gerichtsvollziehers nach den Regeln der örtlichen Zuständigkeit.
Der Antrag auf Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens, zusammen mit dem Vollstreckungstitel, wird dem Gerichtsvollzieher vorgelegt, in dessen Zuständigkeitsbereich sich befinden:
- die unbeweglichen Sachen, auf die sich die Vollstreckung bezieht;
- die beweglichen Sachen, wenn deren Übergabe durch den Schuldner erfolgen soll;
- der ständige oder aktuelle Wohnsitz des Gläubigers oder des Schuldners – nach Wahl des Gläubigers, bei Forderungen auf Unterhalt, Arbeitsvergütung oder Entschädigung für Arbeit oder für Schäden aus unerlaubter Handlung;
- der Erfüllungsort der Verpflichtung zu einer Handlung oder Unterlassung, wenn die Vollstreckung solcher Verpflichtungen verlangt wird;
der ständige oder aktuelle Wohnsitz oder der Sitz des Schuldners
Der Verlauf des Zwangsvollstreckungsverfahrens ist in der bulgarischen Zivilprozessordnung geregelt, und die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit privater Gerichtsvollzieher sind im Gesetz über die privaten Vollstreckungsbeamten klar definiert. Dieses regelt sowohl die Rechte als auch die Pflichten der privaten Gerichtsvollzieher und legt die Voraussetzungen für die Ausübung ihrer hoheitlichen Funktionen fest.
Sobald das Verfahren auf Antrag des Gläubigers unter Beifügung eines Vollstreckungstitels eingeleitet wird, schreitet der Gerichtsvollzieher zu den ersten Maßnahmen. Das Gesetz verpflichtet ihn, dem Schuldner eine Aufforderung zur freiwilligen Erfüllung zuzustellen – dies ist der gesetzlich festgelegte Begriff, obwohl es sich dabei nicht um eine „freiwillige“ Erfüllung im wörtlichen Sinne handelt, da der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit der Zustellung der Aufforderung berechtigt ist, Sicherungsmaßnahmen gegen das Vermögen des Schuldners zu ergreifen.
Alle staatlichen Behörden, Gemeinden, Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen sind gesetzlich verpflichtet, den Gerichtsvollzieher zu unterstützen und ihm die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
Der Gerichtsvollzieher kann anordnen, dass Räumlichkeiten des Schuldners – etwa Wohnungen oder Geschäftsräume – geöffnet werden. Er ist außerdem berechtigt, Einsicht in sämtliche Vermögenswerte der betroffenen Person zu nehmen.
Zu den gängigsten Vollstreckungsmaßnahmen zählen Pfändungen und Verfügungsverbote. Gepfändet werden können nicht nur Bankguthaben, sondern auch Arbeitsvergütung oder andere Einkünfte.
Auch ein vom Schuldner genutztes Kraftfahrzeug kann gepfändet und anschließend versteigert werden. Weigert sich der Schuldner zu zahlen, darf der Gerichtsvollzieher ihn auch persönlich in seiner Wohnung aufsuchen. Dort ist er befugt, bewegliche Sachen wie Möbel oder Wertgegenstände zu inventarisieren, zu bewerten und im Rahmen der Zwangsvollstreckung öffentlich versteigern zu lassen.
Nicht immer kommt es zur Anwendung der äußersten Zwangsmaßnahmen. Das Gesetz sieht für natürliche Personen, die sich in einer finanziellen Notlage befinden, die Möglichkeit vor, eine Ratenzahlung zur Begleichung ihrer Schulden zu beantragen.
Vorgesehen ist, dass zunächst eine Anzahlung in Höhe von 20 % des Gesamtbetrags geleistet wird, gefolgt von monatlichen Raten in Höhe von jeweils 10 % bis zur vollständigen Tilgung der Schuld. In solchen Fällen können Pfändungen und Verfügungsverbote aufgehoben werden. Selbstverständlich können – mit Zustimmung des Gläubigers – auch niedrigere Raten vereinbart werden. In diesem Fall besteht jedoch kein gesetzlicher Anspruch auf Aufhebung der vom Gerichtsvollzieher angeordneten Sicherungsmaßnahmen.
Der Schutz für Schuldner, die natürliche Personen sind, wurde auch durch einige Gesetzesänderungen zur Verjährung vorgesehen. Die zehnjährige absolute Verjährungsfrist in Bulgarien wurde mit Änderungen im Gesetz über Verpflichtungen und Verträge (Art. 112) eingeführt und trat am 2. Juni 2021 in Kraft. Gemäß dieser Bestimmung verjähren alle Geldforderungen gegenüber natürlichen Personen nach Ablauf von zehn Jahren, unabhängig von Unterbrechungen der Verjährung, es sei denn, die Verpflichtung wurde gestundet oder in Raten aufgeteilt.
Ziel dieser Änderung ist es, dem sogenannten „ewigen Schuldner“ ein Ende zu setzen – also Menschen, die seit Jahrzehnten Schulden haben, ohne reale Möglichkeit, sich davon zu befreien.
Einen anderen Schutz sieht das Gesetz auch in Bezug auf die einzige Wohnung natürlicher Personen vor.
Verfügt die Person, die Ihnen Geld schuldet, über lediglich eine einzige Wohnung, so darf diese grundsätzlich nicht im Wege der öffentlichen Versteigerung veräußert werden – es sei denn, sie ist mit einer Hypothek belastet.
In einem solchen Fall kann eine Zwangsversteigerung ausschließlich auf Antrag des Hypothekengläubigers eingeleitet werden.
In allen übrigen Fällen werden Wohnungen oder andere unbewegliche Vermögenswerte beschrieben und zur öffentlichen Versteigerung gebracht.
Das Verfahren ist in der bulgarischen Zivilprozessordnung streng geregelt.
Der erste Schritt im Verfahren ist die Besichtigung und Aufnahme (Protokollierung) der Immobilie durch den Gerichtsvollzieher. Voraussetzung dafür ist, dass der Schuldner ordnungsgemäß benachrichtigt wurde.
Der Schuldner hat das Recht, bei der Aufnahme anwesend zu sein. Solange die Immobilie nicht öffentlich versteigert wird, darf er sie weiterhin nutzen und darin wohnen. Allerdings trägt er in dieser Zeit die Verantwortung als Verwahrer des Objekts. Das bedeutet, er ist verpflichtet, die Immobilie ordnungsgemäß zu erhalten und Schäden zu vermeiden. Er übernimmt das Objekt im Zustand laut Protokoll und ist verpflichtet, es in demselben Zustand wieder zu übergeben.
Vor Beginn der Versteigerung muss ein Sachverständiger eingestellt werden, um ein Gutachten über den Verkehrswert der Immobilie zu erstellen. Dieses Gutachten wird den Beteiligten zur Kenntnis gebracht, die das Recht haben, ein zusätzliches Gutachten zu beantragen. Auf dieser Grundlage wird der offizielle Marktwert des Objekts festgesetzt.
Der Beginn einer Zwangsversteigerung erfolgt mit der Festlegung eines Startpreises, der laut Zivilprozessordnung 80 % des durch einen Sachverständigen bestimmten Marktwerts beträgt. Frühestens eine Woche nach der offiziellen Beschreibung der Immobilie erstellt der Gerichtsvollzieher ein Aufgebot, in dem alle relevanten Informationen zum Versteigerungsverfahren enthalten sind.
Da es sich um eine öffentliche Maßnahme handelt, kommt der Bekanntmachung besondere Bedeutung zu. Das Aufgebot muss an mehreren Orten ausgehängt werden: im Büro des Gerichtsvollziehers, im Gerichtsgebäude, im zuständigen Rathaus oder Gemeindeamt, direkt an der Immobilie sowie auf der Website des zuständigen Bezirksgerichts. Diese Veröffentlichung muss mindestens einen Tag vor dem angesetzten Termin erfolgen.
Die Versteigerung selbst läuft über einen Zeitraum von einem Monat. In dieser Zeit haben interessierte Dritte das Recht, die Immobilie zu besichtigen.
Wegen Interessenkonflikten dürfen der Schuldner, sein gesetzlicher Vertreter, die Bediensteten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, die Mitarbeiter des Gerichtsvollziehers sowie die in Artikel 185 des Gesetzes über Verpflichtungen und Verträge genannten Personen nicht an der Versteigerung teilnehmen.
Wird die Immobilie von einer Person erworben, die nicht berechtigt war, ein Gebot abzugeben, ist die Versteigerung nichtig.
Es besteht kein Verbot für Personen ohne bulgarische Staatsangehörigkeit, an einer öffentlichen Versteigerung teilzunehmen. Da es sich dabei im Wesentlichen jedoch um einen Immobilienerwerb handelt, gelten auch in diesem Fall die gesetzlichen Einschränkungen für den Grundstückskauf durch Ausländer
Am ersten Werktag nach Ablauf der Frist zur Einreichung schriftlicher Gebote eröffnet der Gerichtsvollzieher in Anwesenheit der anwesenden Bieter die eingegangenen Umschläge an dem dafür vorgesehenen Ort im Gebäude des Amtsgerichts.
Für jedes Gebot wird ein Protokoll erstellt, in dem die Namen der Bieter sowie die jeweiligen Gebotshöhen in der Reihenfolge der Öffnung festgehalten werden.
Als Käufer gilt der Bieter mit dem höchsten schriftlichen Gebot. Haben mehrere Bieter denselben Höchstpreis abgegeben, entscheidet der Gerichtsvollzieher durch ein Losverfahren im Beisein der anwesenden Bieter über den Zuschlag. Die Feststellung des Käufers wird im Protokoll dokumentiert und vom Gerichtsvollzieher unterzeichnet.
Erhöht ein anwesender Bieter bei der Bekanntgabe des Käufers sein Gebot mündlich um mindestens die Höhe der Kaution über das höchste schriftliche Gebot, so wird dieses Angebot im Protokoll vermerkt.
Nach Unterzeichnung durch den Bieter fragt der Gerichtsvollzieher bis zu dreimal, ob ein weiteres höheres Gebot unter Hinterlegung einer entsprechenden Kaution abgegeben wird. Jedes neue Gebot wird ebenfalls protokolliert und vom Bieter unterzeichnet.
Nach Abschluss der mündlichen Gebote wird derjenige als Käufer bestimmt, der den höchsten Preis geboten hat. Dieser ist verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen den Rest des Kaufpreises zu überweisen, d. h., der von ihm gebotenen Preis und der abgezogenen Kaution
Es ist wichtig zu erwähnen, dass das Verfahren mit einem Akt des Gerichtsvollziehers – dem Zuschlagsbeschluss – abgeschlossen wird, der einem notariellen Eigentumsnachweis gleichgestellt ist und ein eigenständiger Rechtsgrund für den Eigentumserwerb darstellt.
Dieser Zuschlagsbeschluss kann jedoch angefochten werden – von einer Person, die bis zum letzten Tag der Versteigerung eine Kaution hinterlegt hat, vom Gläubiger, der als Bieter teilgenommen hat, ohne eine Kaution zu leisten, sowie vom Schuldner, wenn das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde oder das Eigentum nicht zum höchsten angebotenen Preis vergeben wurde.
Die Anfechtung erfolgt vor dem Bezirksgericht. Solange das Gericht den Zuschlagsbeschluss nicht bestätigt, tritt dieser nicht in Kraft und der Käufer gilt Dabei ist zu beachten, dass selbst wenn der Preis attraktiv erscheint, stets das Risiko besteht, dass der Zuschlagsbeschluss nicht sofort rechtskräftig wird oder sogar aufgehoben werden kann.
Die zweifellos wichtigste Frage im Zwangsvollstreckungsverfahren ist ob einige Friste berücksichtigt werden müssen. Diese Frage ist oft mit der sogenannten „Peremtion“ verbunden. Wenn der Gläubiger im Rahmen eines eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens zwei Jahre lang keine Vollstreckungsmaßnahme beim Gerichtsvollzieher beantragt hat, gilt dies als Zeichen dafür, dass er kein Interesse mehr an der Durchsetzung seiner Forderung hat, und das Vollstreckungsverfahren wird beendet. Deshalb ist es auch in dieser Phase des Verfahrens besonders wichtig, den Verlauf sorgfältig zu überwachen und regelmäßig zu überprüfen.